Norddeutsche Rundschau

15.04.1996

Zum Gedenken an die Opfer der Tschernobyl-Katastrophe vor zehn Jahren

Zentnerschwere Mahnung

20 christliche Atomkraftgegner haben gestern direkt vor dem Kernkraftwerk Brokdorf einen zentnerschweren Gedenkstein aufgestellt. Der Stein soll an die Toten, Kranken und Vertriebenen von Tschernobyl erinnern. In der ukrainischen Stadt kam es gestern vor genau zehn Jahren zu einem Super-GAU im vierten Reaktorblock des dortigen Kernkraftwerkes.

BROKDORF

( j o )

Die Aktion verlief jedoch nicht ohne Diskussionen. Ein Sprecher des Kernkraftwerkes verweigerte das Aufstellen des schweren Steines und zweier Holzkreuze auf KKW-Gelände. Er wollte den Unfall in Tschernobyl nicht in Verbindung zu Brokdorf bringen, denn hier sei der Sicherheitsstandard viel höher. Im weiteren Verlauf der Diskussion bezeichnete er die Kernkraftgegner, die jeden 6. eines Monats vor den KKW-Toren eine Mahnwache abhalten, als "Spinner, die er nicht ernst nimmt".

Die Christen aus Steinburg, Schulau und Wulfshagenerhütten wollten, so Pastor Helmut Wille aus Borsfleth, wegen 40 Zentimeter keinen Streit und setzten den Stein mit Hilfe eines Traktors einige Zentimeter entfernt vom ursprünglich vorgesehen Standort auf öffentliches Gelände. Aber auch dort wird er nicht ewig stehen bleiben können, kündigte Polizei-Revierleiter Jens Ladendorf an. Diese Auskunft habe er vom zuständigen Kreisbauamt erhalten.

Nach dem Aufstellen des Findlings feierten die Christen vor den Toren des Werkes einen Gedenkgottesdienst unter dem Thema: "Als Christen sind wir Protestleute gegen den Tod". Ein Sprecher der Gruppe sah dabei die Möglichkeit, die Kluft zwischen KKW-Betreiber und ihnen zu verkleinern. "Es gibt eine Brücke und die ist Jesus Christus."

Ziel der Mahnwachen und Aktionen sei "die Einladung zur Umkehr". Auch wenn sie als Spinner bezeichnet würden, "können wir vergeben und auf ihre Umkehr hoffen", sagte er mit Blick auf die Kernkraftwerksbetreiber und Befürworter der Atomenergie.

Nach dem Gedenkgottesdienst am Kernkraftwerk, der mit Liedern und Geschichten von Opfern der Tschernobyl-Katastrophe ausgefüllt wurde, folgte an der Brokdorfer Kirche ein Schweigekreis.