Wilstersche Zeitung

13.01.2004

Jod-Tabletten für Anwohner der Kernkraftwerke
Angst vor Terror?

Das Land folgt einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation: Vorsorglich sollen im Zehn-Kilometer-Radius der Kernkraftwerke noch in diesem Sommer Jod- Tabletten verteilt werden..

BRUNSBÜTTEL/BROKDORF

(Arne Dettmann )

Anwohner der drei schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke in Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel erhalten noch in diesem Sommer Jod-Tabletten. Bei einem Störfall sollen sie die Aufnahme von radioaktiven Stoffen und die Bildung von Schilddrüsenkrebs verhindern. Betroffen ist die Bevölkerung im. Umkreis von zehn Kilometern eines Reaktors. Helmut Preugschat, Amtsleiter Katastrophenschutz im Kieler Innenministerium: „Das hat weder etwas mit Osama bin Laden, der Al Kaida, noch mit einer Terror-Bedrohung zu tun. Es wird lediglich eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation umgesetzt." Grund: Die bisherige Zahl und Dosierung der Tabletten, die für den Ernstfall bei den Feuerwehren lagern, werden nicht mehr als ausreichend angesehen. „Diese tauschen wir durch neue, wirksamere aus."
Bisher wurden die Pillen, die bei einem Reaktorunfall mindestens innerhalb der ersten drei Stunden eingenommen werden müssen, nicht vorab an die Bürger verteilt. Dieses knappe Zeitfenster wird offenbar von den Ländern und ihrem jeweiligen Katastrophenschutz unterschiedlich bewertet. Während Bayern keine Tabletten vorbeugend verteilen möchte, will Hessen alle Anwohner im Fünf-Kilometer- und Schleswig-Holstein sogar im Zehn-Kilometer-Radius versorgen.

Im Sommer wird im Kreis Dithmarschen ein Depot eingerichtet. Das muss laut Arzneimittelgesetz eine Apotheke sein. „Dann beginnt von dort die Verteilung", erklärt Helmut Preugschat. „Genaueres muss die Katastrophenschutzbehörde aber noch planen." In den Tablettenpackungen liegt ein Merkblatt zu den Eigenschaften, der Einnahme, Dosierung und den Nebenwirkungen der Jod-Pillen.

Laut dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" haben die Energieversorger unter Federführung, des Bundesumweltministeriums für 2,8 Millionen Euro 137 Millionen Kaliumjodid-Tabletten bei einem österreichischen Pharmaunternehmen bestellt, die auf sieben Zentrallager rund um die 13 deutschen Atomkraftwerke verteilt werden.

STICHWORT: JOD-TABLETTEN

In den Jahren nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl von 1986 gab es einen erheblichen Anstieg an Schilddrüsenkrebs in Weißrussland und der Ukraine. Die Schilddrüse nimmt dabei verseuchtes Jod aus einer radioaktiven Wolke auf. Eine rechtzeitige Einnahme von Jod-Tabletten könnte die Aufnahme von verstrahlten Partikeln verhindern. Allerdings kann diese Jodblockade nur funktionieren, wenn sie vor dem Eintreffen der radioaktiven Wolke erfolgt. Deshalb werden rund um die 13 Atomkraftwerke in Deutschland Tabletten vom Katastrophenschutz vorrätig gelagert. Kritisch ist die Verteilung der Tabletten und damit die rechtzeitige Einnahme: Drei Stunden nach einem Reaktorunfall hat die Einnahme nur noch die halbe Wirkung, zehn Stunden danach ist sie wirkungslos. (ade)